Coaching

Der internationale Tag der Produktivität

Nach meinen Recherchen weiß keiner so genau, warum es den internationalen Tag der Produktivität gibt, seit wann er gefeiert wird, wer ihn erfunden hat, wie er zu begehen ist und warum er jedes Jahr auf den 20. Juni fällt.

Redaktion / 8/9/2022

Persönlichkeit

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Damit gehört dieser Tag sicher zu den kurioseren internationalen Feier- und Aktionstagen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er sich das Datum mit dem Tag des Vanillemilchshakes, dem Eiscreme-Soda-Tag oder dem Tag der Filtertüte teilt. Wobei ein koffeinhaltiger Kaffee für den einen oder die andere sicher günstige Rahmenbedingungen und ein Milchshake oder Eis, eine leckere Belohnung für einen produktiven Tag darstellen könnten😉.

Widmen wir uns also kurz diesem kuriosen Tag und stellen uns vor, er sei eine Einladung zur Introspektion.

Ein Tag, an dem wir uns Zeit nehmen dürfen, zu reflektieren, wie es so um unsere eigene Produktivität bestellt ist. Nach Wikipedia ist Produktivität eine wirtschaftswissenschaftliche Kennzahl, die das Verhältnis zwischen produzierten Gütern oder Dienstleistungen und den dafür benötigten Produktionsfaktoren beschreibt. Wollen wir dem Tag also alle Ehre machen, sollte bei unserer Reflektion auch möglichst ein Ergebnis herauskommen, und der Aufwand, dieses zu erzeugen, in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen.

Kommt dir das bekannt vor? Reflektion mit Ergebnisdruck? Bloß keine Zeit sinnlos verschwenden, möglichst vieles, häufig sogar gleichzeitig schaffen?

Ich starte ein virtuelles Training zur Entwicklung junger Führungskräfte. Es ist gut vorbereitet, mit vielen interaktiven Sequenzen, inhaltlich aufeinander aufbauend, die Teilnehmenden zu jeder Zeit aktiv mit einbeziehend. Bevor ich richtig beginne, meldet sich ein Teilnehmer zu Wort: „Ich muss von 10.00-11.00 Uhr leider das Training kurz verlassen. Es gibt ein paralleles Meeting, in dem ich Inhalte präsentieren muss. Meinem Chef war das wichtiger!“ Darauf fragt die Nächste: „Wird zwischen 11.00-12.00 Uhr etwas Wichtiges passieren? Da muss ich mich leider kurz ausklinken.“ Dies ermutigt einen weiteren Teilnehmer anzukündigen, dass er das Training leider früher verlassen müsse. Es sei nicht zu verhindern gewesen!

Versuchen wir diese kurze Sequenz unter dem Aspekt der Produktivität zu beleuchten. Vielleicht sollten wir uns sicherheitshalber schon jetzt einen Kaffee holen. Damit hätten wir dann zumindest einen Jubilar des Tages schon gefeiert. Hoch lebe die Filtertüte! Noch mehr, als zuvor, verleitet uns die Virtualität zu dem Glauben, mehrere Dinge gleichzeitig, produktiv erledigen zu können. Es ist aber mittlerweile hinlänglich hirnphysiologisch bewiesen, dass wir (und ich schließe uns biologische Frauen explizit mit ein) der Fähigkeit des Multitaskings nicht mächtig sind. Unser Gehirn arbeitet sequentiell! Wir sollten uns also entscheiden, womit wir unsere Zeit verbringen wollen, und worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Für meine Teilnehmenden ist es eine Illusion zu glauben, sie könnten ohne gedankliche Vor- und Nachbereitung ihrer Präsentation oder anderen Themen nachgehen und gleichzeitig aufmerksam und produktiv am Training teilnehmen.

Was passiert gleichzeitig mit dem Rest der Teilnehmenden?

Welche Auswirkungen haben die Ankündigungen der rollierenden Abwesenheiten auf das Team? Es scheint Wichtigeres zu geben, als die Anwesenheit in diesem Kreis. Die Lust, sich auf den Tag und das Team einzulassen, sinkt. Vermutlich wird es Wiederholungen geben müssen, die Qualität der Gespräche wird aufgrund fehlender Grundlagen möglicherwiese leiden, ebenso wie ein reichhaltiger Erfahrungsaustausch. Die Motivation, gemeinsam produktiv zu werden, erhält schon vor dem Start einen Dämpfer.

Und dann kommen noch meine Gefühle. Hat sich der Aufwand der Vorbereitung gelohnt? Kann, im Sinne der obigen Definition, die Dienstleistung noch gelingen, wo sich die Anzahl der Teilnehmenden bei wichtigen Übungen so dezimiert? Werden die Effekte dann sicht- und spürbar werden? Wird mein Trainingsziel erreichbar sein? Ich befürchte eingeschränkte Produktivität - und auch meine Motivation ist herausgefordert.

Ich glaube an die Autonomie und Selbstbestimmung meiner Teilnehmenden und möchte ihre Entscheidungen respektieren. Aber allzu häufig habe ich das Gefühl, diese werden nicht in all ihren Auswirkungen reflektiert und damit bewusst getroffen. Produktivität hat etwas damit zu tun, auch Güter zu erzeugen, die Zeit brauchen, vielleicht sogar Umwege und Fehler, Schleifen, Pausen und Freiraum ohne Druck, um Zugang zu all unseren Ressourcen zu erhalten. Zeit, um gut in Kontakt zu kommen, mit uns selbst und in der Zusammenarbeit mit anderen.

Die Fähigkeit, uns auf unsere Stärken konzentrieren zu können und wohlwollend mit den Dingen umzugehen, die uns noch nicht gelingen, ist nicht nur eine Voraussetzung, um uns und andere gut zu führen, sie ist immer auch eine Voraussetzung für Produktivität.

Nun wissen wir noch immer nicht, warum es den internationalen Tag der Produktivität überhaupt gibt, seit wann er gefeiert wird, wer ihn erfunden hat – es waren sicher die Schweizer, aber zumindest haben wir eine Idee, wie er zu begehen ist. Und wenn nicht regelmäßig, dann mindestens am 20. Juni!

Vielleicht triffst du dann ja eine bewusste Entscheidung, womit du deine kostbare Zeit, die du weder lagern, noch sparen oder vermehren kannst, die einfach unwiderruflich verrinnt, verbringen möchtest und unter welchen Voraussetzungen diese Investition produktiv sein kann.

Ich finde spätestens dann und natürlich „zur Feier des Tages“ hast du dir einen Milchshake oder ein Eis wirklich verdient!

Und, wer weiß, vielleicht werden einige Teilnehmende in Zukunft ihre Trainingstage ja ganz der Entwicklung ihrer Führungskompetenzen widmen. In diesem Sinne: Lass es dir schmecken!

Katharina Obst

Geschäftsführung der develoop Hamburg GmbH

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